Im Jahr 2003 hat das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) das Linienbestimmungsverfahren für den großen Nordostring Stuttgart durchgeführt. Ziel war es, eine mit allen Verfahrensbeteiligten abgestimmte Trassenführung fuer eine 4-streifige, autobahnähnliche Schnellstraße zwischen den Bundesstraßen B14 und B29 bei Waiblingen und den Bundesstraßen B10 und B27 bei Zuffenhausen festzulegen.
Das Ergebnis der Linienbestimmung war die sog. C1-Trasse.
Auf folgende Dokumente aus dem Linienbestimmungsverfahren des RP können Sie zugreifen:
(Achtung: Die einzelnen Files sind ca. 0,5 bis 2 MB groß. Die Dokumenten-Links daher bitte mit der rechten Maustaste anklicken und "Seite speichern unter..." auswählen.)
Inhalt:
- Straßenpläne
Der Nordostring wird als 4-spurige Bundesstraße mit einem Trassenquerschnitt von 26 Metern geplant (RQ 26 nach RAS-Q 96). Die Entwurfsgeschwindigkeit ist 100 km/h. Dies entspricht einer später gefahrenen Geschwindigkeit von 120 km/h und darüber. (Bei einer Entwurfsgeschwindigkeit von 80 hm/h gehen die Straßenplaner beispielsweise davon aus, daß bei nasser Fahrbahn noch 20% der Fahrzeuge schneller als 100 km/h fahren!)
Untersucht wurden 9 Varianten: A, B, C, D, E D1, CA1, CA2, C1. Der Erläuterungsbericht legt sich weitgehend auf die Variante "C1" fest, die näher bei Kornwestheim verläuft als die ursprünglich einmal geplante 4.1 Variante (die hier der Variante "A" entspricht. Diese "A" Variante wird von den Planern verworfen, da die Verknüpfung mit der B27 / B27a / B10 nicht leistungsfähig genug und die Attraktivität für den Verkehr geringer als bei den anderen Varianten ist (Umweg). Die ursprünglich von Gutachtern (Teilraumuntersuchung) empfohlene Variante 4.3 (Ausbau einiger Engpässe bei bestehenden Straßen sowie neue Neckarbrücke bei Aldingen) wurde erst gar nicht untersucht.
Auf folgende Pläne können Sie zugreifen:
- Verkehrsgutachten
Vom Gutachterbüro Bender und Stahl wurden 2000 / 2001 Verkehrsgutachten durchgeführt, deren Verkehrszahlen die Grundlage für die Planung und weitere Verkehrsberechnungen sind.
Das Verkehrsgutachten leidet an fünf wesentlichen Mängeln:
- Umlegungsmodell:
Die Verkehrsgutachten errechnen die Verkehrszahlen mittels eines sog. "Umlegungsmodells". Dieses geht davon aus, daß der Gesamtverkehr weitgehend unabhängig vom Angebot an Straßen ist und letzteres nur Einfluss auf die Verteilung des Verkehrs auf die verschiedenen Straßen hat.
Dieses "Umlegungsmodell" ist aber wenig geeignet, das Verkehrsgeschehen abzubilden und führt vielfach zu falschen Ergebnissen. In der Realität ist der Gesamtverkehr in hohem Maße abhängig vom Straßenbau. D.h. neue und schnellere Straßen erzeugen zusätzlichen Verkehr (den sog. "induzierten Verkehr"). Das "Umlegungsmodell" führt daher i.d.R. zu einer starken Unterschätzung des Gesamtverkehrs. Entlastungen werden überschätzt.
Daß dies tatsächlich zutrifft, läßt sich u.a. am Neubau der B 14 (Kappelberg-Tunnel) nachweisen. Auf der B 14 wurden binnen 2 Jahre die Verkehrszahlen erreicht, die nach den Gutachtern erst 10 Jahre später hätten eintreffen dürfen. Die Entlastungen im nachgeordneten Straßennetz (alte B 14) waren geringer als berechnet.
- Verletzung der Ceteris-Paribus-Regel:
Neben der Anwendung eines untauglichen (aber leider auch gebräuchlichen) Rechenmodells leiden die Verkehrsprognosen noch unter einem anderen Problem: Es werden beim Nord-Ost-Ring die Wirkungen verschiedener Straßenbauvorhaben, die völlig unabhängig von diesem und z.T. schon in der Realisierung sind, mit einberechnet. Diese sind:
- Ausbau der B10 (Heilbronner Straße / Pragsatteltunnel / Rosensteintunnel)
- Neubau der B 14 im Raum Winnenden / Leutenbach / Backnang
- Ausbau der L 1115 ( B 313) zwischen AS Mundelsheim und der B 14 bei Backnang
- Bau des Langtunnels im Zuge der Heilbronner Straße und Frankfurter Straße in Ludwigsburg-Eglosheim (B 27)
Somit kann im Vergleich Nullvariante (ohne Nord-Ost-Ring und die anderen genannten Maßnahmen) mit dem Planfall (mit Nord-Ost-Ring und die anderen genannten Maßnahmen) nicht gesagt werden, welche berechneten Entlastungseffekte überhaupt auf den Nord-Ost-Ring zurückzuführen sind.
- Verkehrszahlen der Nullvariante unrealistisch:
Der dritte Mangel des Verkehrsgutachtens besteht in der Annahme teilweise unrealistischer Verkehrsstärken bei der Nullvariante im Jahre 2010. Beispielsweise werden für die Mühlhäuser Straße in Stuttgart-Hofen über 34.000 Kraftfahrzeuge je Tag prognostiziert. Demgegenüber betrüge die Belastung mit Nord-Ost-Ring "nur" 18.000 Kfz/Tag. Mithin würde der Nord-Ost-Ring nach dem Verkehrsgutachten die Mühlhäuser Straße in Stuttgart-Hofen um 16.300 Kfz/Tag entlasten.
In Wirklichkeit werden aber nie 34.300 Kfz/Tag über die Mühlhäuser Straße in Stuttgart-Hofen fahren, weil diese gar nicht die Kapazität dazu hat, diese Verkehrsmenge auch nur annähernd flüssig zu verkraften. Mithin ist auch die berechnete Entlastungswirkung reine Theorie.
- Demographische Entwicklung nicht ausreichend berücksichtigt:
Der vierte Mangel des Verkehrsgutachtens besteht darin, dass die Bevölkerungsabnahme und die Veränderungen der Altersstruktur in den nächsten Jahren nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Spätestens in 15 Jahren wird auch im Ballungsraum Stuttgart die Bevölkerung abnehmen. Gehen weiter Arbeitsplätze verloren, wird der Bevölkerungsrückgang früher einsetzen. Die Bevölkerungsabnahme bewirkt eine Abnahme des Verkehrs.
- Das Erdöl wird knapp und teuer:
Der fünfte Mangel des Verkehrsgutachtens besteht in der Annahme, dass die Verknappung und Verteuerung des Erdöls keine Auswirkungen auf den Verkehr hat.
Aus den fünf genannten Gründen sind die Verkehrszahlen aller Wahrscheinlichkeit nach wenig aussagekräftig.
Auf folgende Ergebnisse des Verkehrsgutachtens können Sie zugreifen: (DTV = Durchschnittlicher täglicher Verkehr)
- Schalltechnische Untersuchung (Lärmgutachten)
Auf der Basis obiger Verkehrszahlen wurden die Auswirkungen des Nord-Ost-Rings (Variante C1) auf die Verlärmung des Gebietes untersucht. Veröffentlicht wurden Lärmkarten mit den berechneten Lärmwerten nachts in 2 Meter Höhe. Lärmkarten von der Tagesbelastung und in größeren Höhen fehlen. Da der Hauptverkehr tagsüber auf dem Nord-Ost-Ring fließt, müssten zur Beurteilung der Auswirkungen dieser Schnellstraße auch die Tagesbelastungen angegeben werden. Außerdem hat es in den umliegenden Wohngebiete teilweise sehr hohe Wohngebäude. Gerade bei weiterer Entfernung zur Lärmquelle (Nord-Ost-Ring) werden höher gelegene Stockwerke mit mehr Lärm belastet als Erdgeschosswohnungen.
Das Ergebnis der Schalltechnischen Untersuchung ist u.a.:
- Der Nord-Ost-Ring verlärmt ein heute noch weitgehend unbelastetes Naherholungsgebiet.
- Der Nord-Ost-Ring erhöht auch weiträumig die Verlärmung in vielen Wohngebieten (z.B. Kornwestheim, Zazenhausen, Freiberg, Mühlhausen, Oeffingen ...) sehr stark.
- Die Lärm-Entlastung - wenn sie überhaupt stattfindet - durch Verkehsrverlagerung (z.B. Mönchfeldstraße) wird nach wenigen Metern Abstand von der jeweiligen Straße bereits durch die weiträumige Lärmerhöhung durch den Nord-Ost-Ring vollkommen überlagert.
Auf folgende Ergebnisse der Schalltechnischen Untersuchung können Sie zugreifen:
- Umweltverträglichkeitsstudie
Die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) untersucht die Auswirkungen des Nord-Ost-Rings auf die Schutzgüter Mensch, Tiere und Pflanzen, Boden, Luft, Wasser, Landschaft und Kulturgüter.
Die UVS gibt einen guten Überblick über alle schützenswerten Belange. Die Gutachter gehen dabei stellenweise aber auch sehr formalistisch vor. So erkennen sie manche schützenswerte Funktionen nur bei entsprechendem rechtlichem Status. Gärten beispielsweise haben demnach nur dann einen hohen Wert für das Wohnumfeld, wenn sie als Gartenhausgebiet ausgewiesen sind. Um den Wert des Gebietes zu beurteilen, müsste aber die faktische Wertigkeit berücksichtigt werden.
Die UVS besteht aus drei Teilen: Der Analyse des Ist-Zustandes (Bestandsaufnahme), Bewertung des Bestandes und Bewertung des Eingriffs durch den Nord-Ost-Ring.
Die Ergebnisse der ersten beiden Teile sind in thematischen Karten veröffentlicht. Generell lässt sich sagen, daß je dunkler eine Farbe ist, umso höher ist auch die Wertigkeit einer Funktion.
Auf folgende Ergebnisse der UVS zur Bestandsaufnahme und Bewertung können Sie zugreifen:
(Achtung: Die einzelnen Files sind ca. 0,8 MB groß. Die Dokumenten-Links daher bitte mit der rechten Maustaste anklicken und "Seite speichern unter..." auswählen. Die Qualität der Kartenreproduktion (Digitalphoto) ist nicht besonders gut, sollte aber zum Erkennen der Wertigkeit ausreichend sein.)
Das Ergebnis der UVS ist u.a.: (Zitat aus dem Sondergutachten zum Arten- und Biotopschutz, April 2002, S.46)
"Jede der in der Planung betrachteten Trassenvarianten greift demnach in erheblichem Umfang in überregional/landesweit bedeutsame Flächen für Belange des Arten und Biotopschutzes ein. Hierbei sind einerseits direkte Flächenverluste, andererseits Barriereeffekte und flächig wirksame Störungen durch Lärm (v.a. hinsichtlich der Brutvögel) als wesentliche Beeinträchtigungsfaktoren zu sehen.
Erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigungen sind auf großer Fläche zu prognostizieren, diese werden in den betroffenen überregional/landesweit bedeutsamen Bereichen im Ostteil des Planungsgebietes als nicht ausgleichbar eingestuft. Selbst wenn zum Teil geeignete Maßnahmentypen benannt werden könnten, werden im betroffenen Raum mit Sicherheit nicht ausreichend Flächen für einen funktionalen Ausgleich zur Verfügung stehen.
Nach der Beurteilungsmatrix von Reck & Kaule (1993: 76) sind bei erheblichen Beeinträchtigungen von Flächen der Wertstufe 8 (überregional/landesweit bedeutsam) und der fachlichen Beurteilung des Eingriffs als nicht ausgleichbar die Konflikte als sehr hoch und der Eingriff als nicht vertretbar einzustufen.
Fachlicher Interpretationsspielraum besteht hierbei im vorliegenden Fall nach Auffassung der Gutachter nicht."
Dieses klare Urteil leitet sich bereits alleine aus der Bewertung der Fläche für die Belange des Arten- und Biotopschutzes her. Berücksichtigt man noch die sehr hohe Bedeutung für die Landwirtschaft, die Naherholung sowie für Klima und Grundwasser, fällt die Beurteilung des Nord-Ost-Rings bezüglich seiner Auswirkungen auf das Plangebiet vollkommen vernichtend aus. Die weitere Planung des Nord-Ost-Rings sollte daher eingestellt werden.
Umso mehr muss überraschen, daß die Stadt Waiblingen ausgerechnet durch die wertvollsten Flächen die sog. "Westumfahrung Waiblingen" baut. Offensichtlich hat die Stadt Waiblingen die Wertigkeit dieser Flächen nicht richtig erkannt und hat somit auch nicht alle notwendigen Belange in die Abwägung einstellen können. Die Abwägung ist demnach fehlerhaft. Was auch kein Wunder ist, hat sich die Stadt Waiblingen doch geweigert, eine Umweltverträglichkeitsstudie anzufertigen. Statt dessen hat sie - auch vor Gericht - behauptet, im Grünordnungsplan zur Westumfahrung seien alle Belange ausreichend untersucht. Daß dem nicht so ist, zeigt die jetzt vorliegende UVS zum Nord-Ost-Ring.