Die ARGE Nord-Ost informiert die Bürger richtig über die verkehrlichen Folgen der geplanten neuen Neckarbrücke:

Am Anfang sei gesagt, dass wir in erster Linie Umweltschützer sind und die geplante L 1197 Neckarquerung primär aus ökologischen Gründen ablehnen. Wir beschäftigen uns aber auch mit den Verkehrszahlen und den verkehrlichen Auswirkungen.

In der Ludwigsburger Kreiszeitung, war kürzlich ein Kommentar zu lesen, in dem der ARGE und ihrem Vorsitzenden vorgeworfen wurde, die Bürger bezüglich der verkehrlichen Auswirkungen der geplanten neuen Neckarbrücke an der Nase herumzuführen, Zahlenspiele zu betreiben und Zahlen zurückzuhalten.

Seitdem wir das amtliche Verkehrsgutachten haben, ist es auf unseren Internetseiten weltweit abrufbar. Die ARGE Nord-Ost hat als einzige Institution den Erläuterungsbericht, das Verkehrsgutachten und weitere Daten zu der geplanten L 1197 Neckarquerung für den weltweiten Zugriff im Internet veröffentlicht. Weder das Regierungspräsidium noch die Stadt Remseck haben dies für notwendig erachtet, von der Ludwigsburger Kreiszeitung ganz zu schweigen. Statt dessen wirft man uns dort vor, wir würden Zahlen zurückhalten.

Leider hat auch die Stadt Remseck diesen Kommentar gleich am nächsten Tag in ihrem Amtsblatt veröffentlicht. Sie hat das gemacht zusammen mit anderen Unwahrheiten und gespickt mit unberechtigten Fälschungsvorwürfen an die Brückengegner (kennt man im Remsecker Rathaus die Planunterlagen des RP nicht oder kann man dort keine Pläne lesen?). Diese unberechtigten Vorwürfe machte die Stadt Remseck öffentlich auch ihren eigenen Bürger, die es gewagt haben, gegen die geplante Brücke in Aldingen zu sein.

Wir von der ARGE Nord-Ost bedauern es, dass die Verwaltungsspitze im Remsecker Rathaus nicht mehr sachlich über die Vor- und Nachteile der Brückenplanung diskutieren kann oder will. Vor einem Jahr sah das noch anders aus. Da hatten wir eine offene und sehr gute Unterredung mit einem sehr freundlichen Oberbürgermeister Schlumberger, der uns in einem langen Gespräch in vielem Recht gegeben und erzählt hat, dass er selbst ja eigentlich für die im Flächennutzungsplan vorgesehene "Neue-Mitte-Brücke" sei, nur sein Gemeinderat würde da leider nicht mitmachen. Wir hatten Herrn OB Schlumberger damals auch unsere Interpretation der Verkehrs-Prognosen gezeigt, und er hatte uns recht gegeben, dass die Brückenplanung des RP in erster Linie eine neue Straße für den Fernverkehr, für Remseck aber keine gute Lösung sei.

Das ist leider Vergangenheit. Mittlerweile wirft uns die Remsecker Verwaltung vor, "nicht seriös" zu sein und "Zahlenspiele" zu betreiben.

Das alles sind harte Vorwürfe an die Adresse der ARGE. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Natürlich legen wir vieles anders aus als die Befürworter der Brücke und des Nordostrings. Und wir haben gute Gründe dafür. Aber der Reihe nach:

Am 20.6.2006 hat sich der Stuttgarter Regierungspräsident Dr. Andriof folgendermassen in der Presse geäußert:
"Die hohen Verkehrsbelastungen in diesem Raum und insbesondere der beiden Neckarübergänge in Remseck und Stuttgart-Hofen sowie die damit verbundenen Beeinträchtigungen der betroffenen Kommunen erfordern dringend Abhilfemaßnahmen. Eine neue Neckarbrücke in Höhe des Klärwerks Stuttgart-Mühlhausen und die Verbindung der stark befahrenen L 1100 mit der L 1197 kann hier zu einer deutlichen Entlastung führen. Die neue Neckarquerung ist so angelegt, dass sie später Bestandteil des Nord-Ost-Rings sein kann."

Das klingt natürlich gut, und die Bürger in der Remstalstraße in Neckarrems werden sich entsprechend darüber gefreut haben. Wir haben aber diese Behauptung anhand der heutigen und der vom Regierungspräsidium Stuttgart (RP) prognostizerten Verkehrsmengen für das Jahr 2020 mit der neuen Neckarbrücke überprüft. Und herausgekommen ist, dass nach den Zahlen des RP die meisten der sehr stark vom Verkehr belasteten Bürger in Remseck, z.B. die Anwohner der Remstalstraße, in Zukunft auch mit der neuen Brücke nicht weniger Verkehr haben werden als heute.

(Bilder durch anklicken vergrößern)
Auf dem Luftbild links (aus Google Earth) ist die Situation bei der bestehenden Remsecker Neckarbrücke dargestellt. Man sieht z.B., dass auf der Remstalstraße in Richtung Hegnach heute (2005) ca. 13.200 Kfz/Tag (alle Zahlen Werktags!) fahren, im Jahr 2020 sollen es nach der Prognose des RP 14.800 Kfz/Tag sein.
Die Bürger in der Remstalstraße werden nach den Zahlen des RP durch die neue Brücke im Süden von Aldingen gegenüber heute nicht entlastet. Das gilt auch für die Anwohner der L 1140 am nordwestlichen Siedlungsrand von Neckarrems bzw. für die meisten Anwohner der westlichen Brückenzufahrt in Neckargröningen.
Entlastet werden hingegen die Anwohner der L 1197 (Schlossberg), die L 1100 und die Brücke selbst.
Auf diesem Luftbild (aus Google Earth) sind die entsprechenden Zahlen für den Süden von Aldingen dargestellt. Man sieht auf der L 1100 nördlich der Einmündung der Westtangente eine Abnahme um gut 25%. Dem steht aber auf der Westtangente fast eine Verdoppelung der Verkehrsmenge gegenüber. Für die Menschen, die dort unmittelbar hinter der Lärmschutzwand wohnen, wäre das eine erhebliche Verschlechterung. Aber auch weiter zurück und höher liegende Wohngebiete würden stark zusätzlich mit Lärm (begrenzt auch mit Abgasen) belastet.

(Achtung: 350 KB)
Auf dieser Abbildung (original Karte des RP) sind die Ent- und Belastungungen der einzelnen Straßen aus Sicht der Gutachter für das Jahr 2020 dargestellt. Auch auf dieser Abbildung sieht man, dass die Straßen im Süden von Aldingen, bei Pattonville und im Norden von Fellbach deutliche Zusatzbelastungen durch die Brücke bekämen.
Es handelt sich dabei aber um fiktive Werte, die nichts darüber aussagen, wie sich die Situation der Anwohner gegenüber heute verändert.

Die Verkehrszunahme durch die Brücke wird noch höher ausfallen, als es das Verkehrsgutachten vorhersagt.

Wir benutzen für den Plan-Fall, d.h.für den Fall, dass die Brücke gebaut wird, die Zahlen aus den amtlichen Verkehrsgutachten, da wir hierfür keine anderen haben. Wir wissen aber, dass diese Zahlen meist nicht stimmen, und dass die Verkehrsprognosen, die nach den Methoden der Gutachter heute für das Jahr 2020 gemacht werden, sehr fragwürdig sind, weil die Gutachter dabei wesentliche Auswirkungen der neuen Straße nicht berücksichtigen. Dass ist auch amtlicherseits bekannt.

Für den Fall, dass die Brücke gebaut wird, stellen die Zahlen aus den Gutachten wahrscheinlich eine untere Abschätzung dar. Die tatsächliche Verkehrsbelastung wird noch höher ausfallen. Das zeigt auch die Erfahrung mit alten Gutachten zu Straßenbauten, die mittlerweile realisiert sind.

Zwei Beispiele dafür aus unserem Raum sind der B14-Kappelbergtunnel und die Westumfahrung Waiblingen. Beide Straßen hatten schon kurz nach ihrer Inbetriebnahme die Verkehrslast, die die Gutachter erst für einen deutlich späteren Zeitraum prognostiziert hatten.

In dem speziellen Fall der Neckarquerung muss auch deshalb mit einer sehr hohen Verkehrszunahme durch die neue Brücke gerechnet werden, weil damit sehr ergiebige Verkehrsquellen angezapft würden, nämlich die A81, B10 und B27 im Westen und die B14 und B29 im Osten. Alle Straßenbauprojekte, die den zwischen diesen mächtigen Verkehrsquellen liegenden Raum durchlässiger machen, werden erhebliche Neuverkehre in unseren Raum ziehen, ohne dass die bisherigen Ortsdurchfahrten wesentliche Entlastungen erfahren.

Die generelle Unterschätzung der Verkehr erzeugenden Wirkung von neuen Straßen hat seine Ursache in systematischen Fehlern der von den Gutachtern verwendeten Prognosemodelle. Das Verkehrsgutachten von BS-Ingenieure ist, genauso wie die meisten Gefälligkeitsgutachten, mit denen neue Straßen begründet werden sollen, in hohem Maße fehlerbehaftet. Mit dieser Art Fehler in den Prognosen steht das aktuelle Verkehrsgutachten von BS-Ingenieure nicht alleine da. Weil wesentliche Auswirkungen von neuen Straßen durch die verbreiteten Prognose-Modelle nicht erfasst werden, werden allgemein die Verkehrszunahmen durch den Straßenbau unterschätzt. Siehe die beiden oben genannten Beispiele aus unserem unmittelbarem Umfeld. In einer Sonderveröffentlichung des Umweltbundesamtes (es ließen sich auch viele andere Quellen nennen) steht eine Erklärung hierzu:
„Da der primär induzierte Pkw-Verkehr nur zu einem Bruchteil, der primär induzierte Güterverkehr und der sekundär induzierte Personen- und Güterverkehr gar nicht berücksichtigt werden, ist anzunehmen, dass das Bewertungsverfahren für den BVWP (BundesVerkehrsWegePlan) den induzierten Verkehr bei weitem unterschätzt. Damit werden auch die durch die Projekte hervorgerufenen Umweltbelastungen zu gering bewertet.“
(UBA 2006, Determinanten der Verkehrsentstehung)
Induzierter Verkehr ist der Neuverkehr, der durch Straßenbau erst entsteht. Diesen Verkehr gibt es nicht, wenn man keine neuen Straßen baut.

Das "natürliche" Verkehrswachstum wird von den Gutachtern überschätzt.

Während die Verkehrsgutachten die Verkehr erzeugende Wirkung einer Straße i.d.R. unterschätzen, wird das "natürliche Verkehrswachstum" überschätzt. Im Klartext: die prognostizierten Verkehrszahlen des Null-Falls im Jahr 2020 werden ohne weiteren Straßenbau nicht erreicht werden. Die Gutachter rechnen einen großen Teil der verkehrserzeugenden Wirkung der Brücke schon in das angebliche "natürliche Verkehrswachstum" mit hinein. Sollte die Brücke gebaut werden, fällt das im nachhinein nicht auf, da es nicht mehr überprüfbar und der Verkehr noch viel mehr geworden ist. Sollte die Brücke nicht gebaut werden, fällt es wahrscheinlich auch nicht auf, denn dann interessiert das Gutachten ja niemand mehr.

Ohne neue Straßen nimmt der Verkehr nicht mehr zu.

Die letzten Jahre hat der Verkehr nur noch dort zugenommen, wo man neue Straßen gebaut hat. Ansonsten beobachten wir seit etwa dem Jahr 2002 eine Stagnation bzw. sogar einen leichten Rückgang des Verkehrs. Dieser Effekt ist bundes- und landesweit zu beobachten.
Die Ursachen für den Verkehrsrückgang sind im wesentlichen:

Alle diese Entwicklungen sind langfristig bzw. dauerhaft, so dass momentan keine Gründe erkennbar sind, weshalb wir in den nächsten Jahren wieder ein "natürliches" Verkehrswachstum bekommen sollten. Die starke Verkehrszunahme, die das Verkehrsgutachten für den Null-Fall, d.h. für den Fall, dass die Brücke nicht gebaut wird, vorhersagt, ist somit nicht nachvollziehbar. Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Verkehr im Jahr 2020 ohne Brücke zumindest nicht höher ist als heute.
Auf der Graphik sind beispielhaft für diese Entwicklung die Verkehrszahlen von 4 Dauerzählstellen in der Region dargestellt. Von 2004 auf 2005 wurde die Verkehrsabnahme durch den Mautausweichverkehr etwas abgebremst.
Nur bei der Dauerzählstelle Hegnach ist von 2004 auf 2005 eine deutliche Verkehrszunahme feststellbar. Diese hat ihre Ursache in der Eröffnung der Westumfahrung Waiblingen. Ohne die Westumfahrung Waiblingen hätten auch die Bürger in Hegnach und Remseck weiter von der allgemeinen Verkehrsabnahme profitiert.
Die Stadt Stuttgart zählt alle zwei Jahre den gesamten Verkehr an ihrer Gemarkungsgrenze. Auch an diesen Verkehrszahlen lässt sich der Trend zur Verkehrsabnahme ablesen. Von 2002 auf 2004 hat der Verkehr an der Gemarkungsgrenze Stuttgart um 4,5% abgenommen.
Das sind alles keine dramatischen Abnahmen, und das merkt auch kaum ein lärm- und abgasgeplagter Einwohner. Aber es ist eine wichtige Trendumkehr in die richtige Richtung.

Das originale amtliche Verkehrsgutachten und die wichtigsten Verkehrs-Karten zur geplanten L 1197 Neckarquerung können Sie hier herunterladen:
  • Verkehrsgutachten Text (Achtung: 1,2 MByte groß!)
  • Karte Verkehrsbelastung 2005
  • Karte Prognose Null-Fall-Plus 2020
  • Karte Prognose mit Brücke C-Variante 2020
  • Karte Differenz zwischen Null-Fall-Plus und C-Variante 2020